18.11.2015
Der Akklimatisierung wegen und um kein Risiko einzugehen, meinen Anschlussflug nach Hoedspruit zu verpassen, habe ich mir in Johannesburg für zwei Nächte ein Bett in einem netten Hostel gebucht. Diese zwei Zwischenübernachtungen geben mir außerdem ein wenig Zeit Johannesburg zu erkunden.
Bevor ich gestern Wein-besudelt bzw. -beduselt ins Bett gegangen bin, habe ich mich noch um meine heutige Tagesaktivität gekümmert und eine Privattour durch Johannesburg gebucht. Gegen neun Uhr werde ich von „Dzjabu“ abgeholt. Dzjabu, mein heutiger Reiseführer ist ein Riese in jeglicher Hinsicht. Zum Einen ist er dreidimensional gesehen schon mal ziemlich groß, breit und tief und eine riesengroße Portion Humor besitzt er außerdem. Der heutige Tag wird mir zudem noch zeigen, dass Dzjabu passenderweise auch ein Riesenherz hat.
Nachdem wir die Hofeinfahrt von „Bob’s Bunkhouse“ verlassen haben, skizziert Dzjabu mir den groben Tagesablauf. Er erklärt mir auch, dass die meisten Menschen, die nach Johannesburg kommen Angst hätten, ihnen könne etwas Schreckliches zustoßen. Ich jedenfalls bräuchte heute keine Angst zu haben, denn ich stünde unter dem Schutz des „Black Giant“: „I promise you, you’ll come back in peace and not in pieces!“ Ich hatte zwar von vornherein keine Angst, aber spätestens jetzt bin ich so richtig tiefenentspannt…
Um die Dimensionen der Stadt erstmal zu begreifen, geht es hoch hinaus. Johannesburg selbst liegt gute 1750 Meter über dem Meeresspiegel. Um die bestmögliche Übersicht zu bekommen, fahren wir zum Aussichtspunkt des höchsten Gebäudes Afrikas, dem Carlton Center (= “Top of Africa”). Mit seinen 223 Metern Höhe lässt er uns damit an der 2000 Meter-Grenze über n.N. kratzen. Der Ausblick ist herrlich. Von hier aus lassen sich wunderbar einige wichtige Gebäude, die wirtschaftliche Rolle und die Geschichte der Stadt erklären. Leider ist es heute etwas nebelig, so dass man nicht über die Stadtgrenzen hinaus schauen kann. Dennoch ein toller Rundumblick.
Der zweite Ordnungspunkt des Tages führt uns nach „Soweto“, wo Dzjabu geboren wurde. Hier gibt es unglaublich viel zu sehen und zu erfahren, verspricht mir mein Reiseleiter. Soweto ist ein Zusammenschluss vieler Townships (=Vororte) und liegt im Südwesten von Johannesburg. Der Lage hat diese Gemeinde auch ihren Namen zu verdanken: So-we-to = South-West-Townships. Seit 2002 gehört diese Gemeinde offiziell zu Johannesburg.
Erstes Ziel ist ein ziemlich armer Teil des Townships. Wellblechhütten und notdürftig zusammen gezimmerte Baracken prägen das Bild. Dzjabu übergibt mich an einen Freund, der mich durch den Ort führt und mir das Leben der Bewohner erklärt. Die ersten, die in diese Gegend gezogen sind und ein Stück Land gestellt bekamen nennt man „Landlords“. Diese haben schnell begriffen, dass sie ihr winziges Stück Land auch an Andere untervermieten können. So leben häufig drei oder vier Familien in winzigen Hütten um eine größere Hütte des „Landlords“, der sich durch die Mieteinnahmen einen gewissen Wohlstand aufgebaut hat.
Regelmäßig und zwar immer kurz vor den Wahlen wird hier auch mal was verbessert. So sind zum Beispiel schon einige Familien (meist Familien der „Landlords“) in bessere Unterkünfte umgesiedelt worden. Und Plumpsklos, die einmal im Monat von der Stadt geleert werden, stehen jetzt immerhin auf jedem (von mehreren Parteien geteilten) Grundstück bereit. Wenn die Wahlen jedoch vorbei sind, werden alle Versprechungen bis kurz vor Ende der Legislaturperiode wieder zurück gestellt.
((( Mein eigener Vorsatz, in diesem Blog nicht politisch zu werden, hält mich davon ab, an dieser Stelle über den Werteverfall der seit 1994 regierenden ANC zu referieren. Tatsache ist jedoch, dass nach Nelson Mandela kein President mit ähnlichem Geist an die Macht gekommen ist um die ANC und das Land zu führen. Wer sich an dieser Stelle selbst informieren möchte, darf gerne den Namen des aktuellen Presidenten “Jacob Zuma” bei “Google” oder “YouTube” eingeben. Du wirst viele Informationen finden und bereits nach einigen Minuten Recherche wirst Du unglaublich erschrocken über die Werte sowie über den geringen Bildungsstand des mächtigsten Mannes von Südafrika reagieren. )))
Ich erfahre, dass Dzjabu’s Freund aus der „Limpopo-Provinz“ stammt. Das ist die Provinz, wo sich das Schulprojekt befindet, welches ich ab morgen besuche. Er kennt auch die Non-Profit-Organisation (NPO) „Tshega“ und erklärt mir, dass er Gott täglich für Menschen dankt, die in seinem Land versuchen, etwas Positives zu bewirken. Er zeigt mir den Ort, der als Kindergarten in der Region fungiert und ich bin erstaunt, wie freundlich und lebensfroh die Kiddies hier sind. Ich spende 200,- Rand (= ca. € 14,-) an den Kindergarten und 80,- (= ca. € 6,-) Rand gebe ich Dzjabu’s Freund, bevor ich mich von ihm herzlich verabschiede.
Die meisten stellen sich unter „Township“ ein eben solches, dichtes Gedränge an Wellblechhütten vor. So ist Soweto jedoch nur teilweise. Es gibt hier auch große Grundstücke und schöne Häuser. „Winnie“, die Exfrau von Nelson Mandela etwa lebt in einem solch schönem Haus auf einer Anhöhe, die auch „Beverly Hills von Soweto“ genannt wird.
Soweto trumpft mit weiteren erstaunlichen Fakten auf. Hier befindet sich nämlich die einzige Strasse der Welt, in der zwei verschiedene Friedensnobelpreisträger gelebt haben. Die Rede ist von der „Vilakazi Street“, in der sowohl Nelson Mandela, wie auch Bischof Tutu ein Häuschen besaßen.
In Soweto ist zudem viel passiert, was für den Rest des Landes Weg weisend wurde. Es gibt in diesem Land sogar ein Sprichwort, welches diese Tatsache widerspiegelt: „Wenn Soweto niest, ist Südafrika erkältet!“ Beispielsweise ging die Studentenbewegung gegen die Gesetzgebung der Apartheidsregierung von hier aus. Am 16. Juni 1976 wurde Hector Pietersen, ein 13-jähriger Schüler bei einer anfangs friedlichen Demonstration gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache, von Polizisten erschossen. (Afrikaans = von den holländischen Besetzern installiertete Sprache, die sich stark ans Niederländische anlehnt). Das Foto des sterbenden Hector sorgte weltweit für Aufsehen. Er wurde dadurch zur Symbolfigur eines Aufstandes der schwarzen Bevölkerung gegen das Apartheidsregime.
Dzjabu zeigt und erklärt mir das Denkmal, welches an diesen Tag erinnert und bringt mich schließlich zum „Nelson Mandela Haus“. Der Rundgang in dem Gebäude ist sehr emotional, aufschlussreich und wie viele andere Höhepunkte des heutigen Tages vor allem auch: schockierend. Als Kopf einer Bewegung, die gegen Apartheid und Diskriminierung jeglicher Art stand, war Mandela häufiges Ziel von Anschlägen der Polizei und anderer regierungsnaher Truppen. Einschusslöcher und Brandspuren am Haus zeugen immer noch von solchen Übergriffen. Es tröstet die Tatsache, dass sich dieser Mann dennoch nie klein kriegen lassen hat. Eine inspirierende Persönlichkeit!
Im Anschluß wird typisch südafrikanisch zu Mittag gegessen. An einem Strassenstand einer Freundin von Dzjabu gibt es ein Steak mit Pap (eine nahrhafte Paste aus Mais) und scharfer Soße. Nachdem ich mich für gerade mal € 3,- „Pap“-satt gegessen und getrunken habe, werde ich von meinem großen Freund zum Apartheidsmuseum gebracht, wo mich weitere emotionale Momente erwarten.
Zweieinhalb Stunden lang muss ich mit dem Kopf schütteln und mit den Tränen kämpfen…
Als Apartheid bezeichnet man die politisch organisierte Rassentrennung in Südafrika. Die Führungsschicht bestand Anfang des vergangenen Jahrhunderts aus „Weißen“ bzw. aus einer europäischstämmigen Bevölkerungsschicht. Die Apartheid hatte ihre Hochphase von den Vierzigern bis zu den Achtzigern. Ab 1990 wurde die Bewegung gegen die Apartheid immer stärker, forderte zudem aber mehr Opfer innerhalb von vier Jahren als in der gesamten Zeit davor. Sie endete 1994 nach einer Phase der Verständigung mit einem demokratischen Regierungswechsel, bei dem Nelson Mandela der erste schwarze Präsident des Landes wurde. Für diesen Augenblick schmorrte Mandela 27 Jahre im Gefängnis. Umso erstaunlicher, dass der Mann nie Rache sondern immer nur Vergebung und Verbrüderung propagierte. Ein beeindruckender Geist! In Dzjabu sowie vielen anderen schwarzen Südafrikanern (leider nicht allen) scheint der Gedanke Mandelas tatsächlich weiter zu leben.
Der späte Nachmittag bricht an und Dzjabu bringt mich zurück zu „Bob’s Bunkhouse“. Ich bedanke mich für einen tollen, einen undglaublich informativen Tag bei meinem stets positiven Reiseführer und bekomme viel Glück für mein Vorhaben gewünscht.
Nachdem Abendessen sitze ich mit der sympatischen Familie meiner Hostelmutter Maura zusammen. Mein Tag der südafrikanischen Geschichte wird hierbei durch Zeitzeugenerlebnisse abgerundet.
Mit Gänsehaut geht es schließlich ins Bett.
Peace (and not in pieces)!
Freut mich, dass alles so gut geklappt hat und du stets umgeben bist von netten Leuten. Pass weiterhin auf dich auf 🙂
Vielen Dank… Und klar passe ich auf mich auf! Aber halt auch nur so, dass es auch nicht zu langweilig im Blog wird, hehe 😉
Genieße deine Zeit in Südafrika und grüß Ellanie ganz lieb von mir:) Bin schon gespannt auf deine Berichte und deine Eindrücke.
Dank Dir, Sarah. Klar, Ellanie wird sich sicherlich über deine Grüße freuen…