30.11. – 06.12.15
Meine dritte Arbeitswoche bildet auch gleichzeitig die letzte Schulwoche für die Kinder. Klar, dass der Unterricht sehr locker genommen wird und man sogar mir die Chance gibt, die Kinder zu unterrichten. Und so bereite ich eine Power-Point-Präsentation für die Schüler vor.
Vor drei Jahren habe ich eine Weltreise unternommen und konnte dabei unglaublich viele, teils prägende Eindrücke sammeln. Die Bilder, die ich während der vier-monatigen Reise geschossen habe, sollen den Kindern die wunderschönen Ecken der Welt zeigen und möglichst ihren Horizont erweitern. Dem Alter entsprechend, teile ich die Kinder ab der dritten Klasse in zwei Gruppen auf und stelle meine Arbeit zunächst den Jüngeren vor. Bevor ich beginne, frage ich die Kinder, welche Orte sie mal besuchen wollen würden und warum. Dabei merke ich, dass „meine Schüler“ bereits von einigen Ecken der Welt gehört haben und ihre Vorstellungen dazu bereits einen guten Nährboden für meinen Plan bilden.
Mein Plan sieht es vor, den Schülern aufzuzeigen, wie wichtig eine gute Schulbildung ist. „Guten Schülern stehen die Türen der Welt weiter offen als denen, die schulisch nichts erreichen.“ Kaum eines dieser Kinder hat Südafrika jemals verlassen und wenn doch, dann war es mal eine vierstündige Busfahrt nach Simbabwe. Viele haben noch nicht einmal Tzaneen, die nächste, größere Stadt, die sich gerade mal 28km entfernt befindet, gesehen. Die Neugierde nach weit entfernten Orten, geheimnisvollen Kulturen und einer völlig anderen Natur ist riesengroß. Ich präsentiere die tollsten Eindrücke aus London, Hong Kong, Australien, Neuseeland, von den Cook Islands und aus den vereinigten Staaten. Unterwasseraufnahmen, Bilder eines Bungyjumps oder aus einem Stuntflugzeug und natürlich auch die exotischen Tier- und Landschaftsbilder lassen die Kinderaugen leuchten. Meinenen Erklärungen wird gespannt zugehört und es kommen viele interessante Fragen der Kinder auf. Meine Ausführungen werden ausführlicher als ich geplant habe und so erzähle ich den Kindern auch Geschichten, die auf den Fotos nicht zu sehen sind. Ich berichte von hilfsbereiten und von inspirierenden Menschen. Von Menschen, die mir ein privates Obdach gaben, als ich kein freies Zimmer mehr fand. Von Menschen, die trotz der Tatsache, nicht laufen zu können, das Leben in vollsten Zügen genießen und allen Schwierigkeiten trotzend, die Welt bereisen. Von Menschen, die einem lächelnd Essen anbieten, obwohl sie bei Weitem weniger besitzen als man selbst. Von entstandenen Bekanntschaften und Freundschaften. Was mich während der Reise inspirierte versuche ich weiter zu geben und so werden es zwei Stunden pro Vortrag anstatt der geplanten 45 Minuten.
Speziell die beiden höheren Klassen, in der zweiten Gruppe, scheinen nicht nur an den Fotos Gefallen zu finden, sondern auch meinen moralischen Unterton zu verstehen. Eine tolle Erfahrung für mich und sicherlich auch für die Kinder.
Eine lange Reihe von Partys steht diese Woche außerdem an: montags werden zunächst die „Eagles“ belohnt. Am Anfang des Schuljahres wurden jahrgangsübergreifend alle Schüler in fünf verschiedene Gruppen aufgeteilt. Durch vorbildliches Verhalten konnte jeder Schüler einzeln Punkte für sein Team sammeln, zudem konnte man auch durch bestimmte Gruppenaktivitäten das Punktekonto auffüllen. Am vergangenen Wochenende wurde bekannt gegeben, dass das Team der Eagles den Wettbewerb gewonnen hat und nun eine große Party auf sie wartet. Während die anderen die Schulbank drücken müssen, dürfen die Eagles Kuchen essen, Filme gucken, tanzen, und als großes Highlight wird sogar ein „Slip ‘n’ Slide“ aufgebaut.
Bei diesem aufblasbaren Riesenspielzeug springt man in seinem Badeoutfit mit Anlauf auf eine mit Seife vorpräparierte Bahn und rutscht bis in ein mit Wasser gefülltes Auffangbecken. Nicht nur die Kinder sind ganz angetan davon, auch die Volunteers und einige der Lehrer lassen sich diesen feuchten Spaß nicht entgehen. Trotz sorgfältigem Eincremen, lässt Afrikas Sonne ihre Spuren auf meinem Körper. Nicht mein letzter Sonnenbrand dieser Woche, wie sich zeigen wird…
Wie geplant überreiche ich an Carabo und Elton jeweils ein Eurostück, welches ich in der Werkstatt vorher mit einem Loch versehen und durch das ich eine Schnur gezogen habe. (Die Idee zur Euro-Preisvergabe – HIER so) Die beiden Jungs freuen sich riesig über ihre „Medaillen“ und posieren glücklich für das Siegerfoto. (Das Nominierungsverfahren – DA so)
Ein anderes tolles Foto entsteht die Woche mit Ellanie und vier süßen Kindergartenmädchen. Eigentlich hatte ich geplant Tshega eine Spende über € 500,- zukommen zu lassen. Als mich Ellanie darüber informierte, dass ich für mein Projekt ausnahmsweise umsonst im Volunteer-Haus untergebracht werde, beschloß ich meine Spende um die gesparte Summe aufzustocken. Und somit konnte ich Tshega einen Spenden-Scheck über € 1000,- überreichen. Das symbolische Papierstück wurde natürlich von Schülern der Lighthouse Academy gefertigt: „Pholoso“, ein liebes Mädchen aus der Abschlussklasse hat eine wesentlich schönere Handschrift als ich und beschriftet unseren Scheck mit großen Buchstaben. Vier Drittklässlerinnen lassen sich von mir ihre Handflächen bepinseln und verschönern den Scheck mit ihren Handabdrücken. Danke Mädels!
Die Partywoche geht weiter. Es gibt Kuchen, Pudding und Milchshakes. Der Lohn für ein Jahr harte Arbeit wird geerntet. Des weiteren werden Spiele gespielt und die Kinder der dritten Klasse dürfen nacheinander meine Go-Pro ausprobieren. Sie bekommen die Kamera auf den Kopf geschnallt und toben sich auf dem Spielplatz aus. Die neue Stuntmen-Generation gibt ihr Bestes und es entstehen amüsante Bilder. Mein mitgebrachtes Diabolo und die schätzungsweise ein bis zwei Tricks, die ich einigermaßen beherrsche, lassen die Kinder außerdem nicht schlecht staunen.
Und dann rückt der Freitag an, der Tag des Abschieds. Ich habe sozusagen Glück und werde gleich morgens zu einem Außeneinsatz gebeten. Der Einsatz in einem Behindertenheim dauert letztlich wesentlich länger als geplant und als ich wiederkomme, haben bereits alle Kinder den Schulhof verlassen. Auf der einen Seite ist es zwar ein wenig traurig, dass ich damit um ein letztes „Lebe wohl“ mit den Kiddies gebracht worden bin, doch auf der anderen Seite bin ich richtig froh, diesen herzzerreißenden Moment übersprungen zu haben. In den letzten Tagen habe ich zig Liebesbriefe von Mädels (und auch von einem Jungen) bekommen. Der Gedanke an all die süßen Worte in Verbindung mit dem Abschied hätte mich sicherlich jämmerlich heulen lassen. Und als ich dann eine Abschiedskarte, gebastelt von den Kindern der dritten Klasse, über eine Kollegin überreicht bekomme, muss ich wirklich mit den Tränen kämpfen: „Thank you for the love! Stay as sweet as you are,” heißt es dort. Innerhalb kürzester Zeit ist mir besonders dieser Jahrgang einschließlich aller Chaoten unheimlich an Herz gewachsen und offensichtlich ich ihnen auch.
Der lockere Lehrplan zum Jahresende führt auch dazu, dass ich beispielsweise mit Milly und Weinand häufiger raus fahre ins Dorf zum OVC-Projekt. Und so können auch die Ärmsten
und die Waisen im Rahmen eines Fußballspiels meine Go-Pro ausprobieren. Mir fällt auf, dass viele der Kinder ein unglaublich sportliches Talent haben. Sie sind schnell, flink, beweglich und auch wenn ich nicht der unsportlichste bin, komme ich mir neben diesen laufenden Muskelmetern doch vor wie ein alter Opa.
Bei den Ausflügen in das Dorf, wird mir dann auch plötzlich klar, welchem Kind ich ab nächstem Jahr den Schulbesuch in der „Lighthouse Academy“ sponsort werde. Das Mädel heisst „Vutomi“ und hier könnt ihr Vutomi’s Geschichte lesen!
Am Samstag wird dann nur für die Kinder des OVC-Projekts eine große Party in der Schule geschmissen. Das Slip ‘n’ Slide kommt wieder zum Einsatz. Hinzu kommt noch eine Hüpfburg mit integrierter Wasserrutsche samt Pool und außerdem ein lustiges Wurfspiel. Bei diesem Spiel wird ein guter Werfer dadurch belohnt, dass er zusehen kann, wie jemand von einem runter sausendem Wasserballon
durchnässt wird. Mein Diabolo bildet auch hier ein zusätzliches, kleines Highlight und viele der Kinder zeigen sich sehr lernwillig und wollen erklärt bekommen, wie man diese Eieruhr am Seil zwischen zwei Stöcken beherrscht.
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Die Kinder werden an diesem Tag verpflegt, wie sie noch nie verpflegt wurden. Neben den Spaßgeräten, wurde uns für diese besondere Veranstaltung eine Popcorn- und eine Zuckerwattemaschine gesponsort. Kuchen, Hot Dogs und Burger finden dank der Unterstützung einer Bäckerei und eines Fast-Food-Restaurants ebenfalls den Weg in die Mägen der Racker. Rucksäcke, Schulsachen, Hygieneartikel und bunte
Geschenke werden ausgeteilt. Ich bin ziemlich beeindruckt, wie viele Menschen aus der direkten Umgebung
versuchen, den Schwächsten zu helfen. Ich dachte, dass alle Spenden aus dem Ausland kämen, dem ist aber definitiv nicht so, wie ich nun fest stelle. Viele Einheimische, die der Armutsfalle entkommen sind, verhalten sich äußerst solidarisch und versuchen ihren Landsmännern, die bisher weniger Glück hatten, zu helfen. Toll! An diesem Tag bekomme ich dann den zweiten Sonnenbrand der Woche und dabei steht noch eine weitere Party im Freien an.
Sonntags fahren meine Mitbewohner und ich nach einem gemeinsamen Kirchenbesuch zu den „Debengeni Waterfalls“. Chantal, die Lehrerin, die uns schon letzte Woche zum Canopy-Ausflug begleitet hat, feiert ihren 27ten Geburtstag und wir sind herzlich eingeladen. Der Wald, in dem sich der Wasserfall befindet ist einfach herrlich und das finden wohl nicht nur wir, die sich zum gemeinsamen Grillen (= südafrikanisches „Braai“) versammelt haben, sondern auch ein wilder Affe, der uns aus seiner sicheren Baumkrone beobachtet und wohl auf eine vergessene Wurst hofft.
In dem Becken vor dem Wasserfall kann man sich genüsslich abkühlen und die wunderschöne Umgebung für (sexy) Fotos nutzen.
Chantal’s Bruder zeigt mir eine Stelle, an der das fließende Wasser den abfallenden Felsboden soweit geglättet hat, dass man ihn ohne Verletzungsgefahr als Wasserrutsche benutzen kann. Eine tolle Gegend mit tollen Menschen, gutem Essen und… guten Drinks. Gute Drinks sind übrigens nicht immer hilfreich. Zum Beispiel wenn es um das Einhalten von Vorkehrungen hinsichtlich des Sonnenschutzes geht. In dem Sinne: Prost! Entschuldigung, ich meine natürlich…
…Peace! (Aua; Sonnenbrand zwischen Mittel- und Zeigefinger!)
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